Inhalt:
1. Vortrag
2. Presse
3. Gedenkgottesdienst zum 11. September 2001
1. Vortrag: Juden in Rimbach
Ein Vortrag für die Kolpingfamilie in Rimbach
im katholischen Gemeindehaus, 22.04.2002
Die jüdische Geschichte kennen sie aus ihrem Religionsunterricht in groben Zügen. Wichtige Stationen sind: Der Auszug aus Ägypten ins gelobte, aber noch von den Kanaanitern besiedelte Land. Sie erinnern sich an deren Vertreibung (Jericho) und der Kampf gegen die Philister (David gegen Goliath). Daneben gab es viele Niederlagen für das „Volk Gottes“ wie die Vertreibung durch Nebukadnezar nach Babel. In ihrem Glauben unerschütterlich blieben sie allerdings immer, da sie durch Worte der Propheten an die Verheißung der Heimkehr glaubten. Dieser Glaube führte in unserem Jahrhundert zur Gründung des Staates Israel, wobei die Wurzeln dazu von der zionistischen Bewegung lange vor dem Holocaust initiiert war. Die Vertreibung der Juden aus Judäa, Samaria und Galiläa durch die Römer um das Jahr 130 n. Chr. brachte jüdische Händler, Handwerker und Bauern nach Europa und auch in das Rheinland.
Sie scheinen z. T. einflussreich gewesen zu sein, denn mit einem Erlass Kaiser Konstantins von 321 n.Chr. wurde angeordnet, dass auch Juden der Zugang zu den Magistratsämtern zu gewähren sei. Das Rheinland war in der Folgezeit das am stärksten von Juden besiedelte Gebiet in Deutschland. Urkunden weisen im 9. Jahrhundert in Worms, Mainz, Speyer, Köln und weiteren Städten eine jüdische Bevölkerung nach. Synagogen fanden sich in z.B. Magdeburg, Merseburg und Prag.
In meiner Eingangbetrachtung, will ich ihren Blick darauf richten, dass sich jüdische Bürger immer wieder beruflich, den sich verändernden Bedingungen anpassen mussten, und gerade dadurch neuen Hass auf sich zogen.
Wie überall widmeten sich auch hier viele Juden der Landwirtschaft. Im Feudalsystem konnte sich ein jüdischer Bauernstand allerdings nur solange halten, wie es erlaubt war jüdische Sklaven zu haben. Als dies Kaiser Konstantin 339 n. Chr. verbot, wurden viele Juden gezwungen ihren Landbesitz zu verkaufen. Christliche oder heidnische Sklaven kamen für sie wegen des engen Zusammenlebens aus Glaubensgründen nicht in Frage. Bereits hier fällt uns die Schwierigkeit für Juden ins Auge, in einer andersgläubigen Umwelt zu bestehen. Auch aus dem Wein- und Olivenbau in Südeuropa zogen sich jüdische Bauern immer mehr zurück, da sie in den weit auseinanderliegenden Gehöften ihre religiösen Gesetze nur schwer befolgen konnten. So wurde die vorgeschriebene Zehn-Zahl zum gemeinsamen Gebet (hebr. Minjan= Versammlung von zehn erwachsenen männlichen Juden) nur selten erreicht.
Sich auf Städte zu konzentrieren, ergab sich auch aus dem Wunsch den Kindern eine jüdische Erziehung zu geben. Im späten Mittelalter gewann zusätzlich das Verbot des jüdischen Grund- und Bodenbesitzes Gültigkeit und vertrieb Juden vom Land.
Bereits unter römischer Herrschaft erfolgte in Palästina eine berufliche Umschichtung zugunsten des Handels. Diese prägte sich in der Diaspora weiter aus, da durch die historischen Verbindungen zum Orient und die Existenz jüdischer Gemeinde bis nach Indien verfügten sie traditionell über ausgezeichnete Handelsbeziehungen weit über den Mittelmeerraum hinaus verfügten.. Die Handelsprodukte waren folglich nicht die des täglichen Gebrauchs und landwirtschaftlicher Güter, die ja regional gehandelt wurden, sondern die Bedarfsstillung von Luxusgütern einer kleinen Schicht. Mit hochwertigen Parfümen, Glaswaren, Gewürzen, Schmuck und Stoffen belieferten sie die adligen Grundbesitzer, die kirchlichen Würdenträger und die Klöster. Bis ins 11. Jahrhundert scheint auch der Sklavenhandel in Europa in ihren Händen gelegen zu haben. Zu den Handelsgütern nach und von Indien und China gehörten Eunuchen, Sklaven, Pelze, Seide und Waffen. Im Warenverkehr mit Russland fanden Textilien, Gold, Edelsteine, Felle, Handschuhe, Wein , Getreide und Pferde ihren Weg nach und aus Europa. Für diesen Warenverkehr war außerdem ein starkesw Engagement im Seeverkehr nötig, der sich am Handel mit gesalzenem Fisch nachweisen lässt. Die Beteiligung an den Messen in Köln, Mainz und Frankfurt ist verbürgt. Das Erstarken des Islam allerdings führte zum Erliegen des Fernosthandels. Die Folge war eine stärkere Konzentration auf Europa.
Wie aber kommt es bei einer solch starken gesellschaftlichen Stellung zu den am Ende des Mittelalters zu beobachtenden Verfolgungen der Juden?
Die Wissenschaft geht hier von der sogenannten Phasentheorie aus:
Zuerst suchten die Juden Lücken im Feudalsystem. Sie wurden Ersatz für die Syrer, die lange Zeit den Fernhandel bestimmt hatten. Daraus resultierte ein Aufblühen der jüdischen Gemeinden, da sie ihre Funktion zur Zufriedenheit der herrschenden Schicht ausübten. Durch den engen Kontakt zwischen Christen und Juden, gelang es den Christen immer stärker, sich in den Handel einzubinden. Da die Juden jetzt direkte Konkurrenten waren ,suchten die christlichen Händler nach Wegen, die Konkurrenz auszuschalten. Nachdem die mittelalterliche Gesellschaft der jüdischen Händler nicht mehr bedurfte, kam es seit dem 11. Jahrhundert zu Berufsverboten, zu Verfolgung und Vertreibung. Im Wirtschaftssystem hatte sich mittlerweile die Wandlung vom Warentausch zur Geldwirtschaft vollzogen. Damit ist dann später die Tätigkeit als Geldverleiher als neuer geduldeter Erwerbszweig für die Juden geschaffen, da für Christen anfänglich der Umgang mit Geld und das Erheben von Zinsen verboten war. (vergl. hierzu auch Regeln im Islam).
Nach dem Mittelalter wurde der Wert eines Menschenlebens gering eingeschätzt. Dies galt in besonderer Weise für Nichtchristen oder Häretiker (Verfolgung der Albigenser in Frankreich, Vernichtung der Hussisten). Auch wenn die Massaker an der Juden zurzeit der Kreuzzüge besonderes grausige Spuren hinterließen, bilden sie doch keinen Ausnahmefall. Die Verantwortung für die Kreuzigung Christi und die Schändung von Hostien durch die Juden wurde als Vorwand für Pogrome in den Städten Köln, Mainz, Worms und Speyer benutzt. 1241 entlud sich der blinde Hass in einem Blutbad unter den Frankfurter Juden, deren Gemeinde dann 100 Jahre später in den Pestjahren 1348/49 noch einmal vernichtet wurde.
Region:
1298 wird Weinheim von den Verfolgungen des fränkischen Ritters Rindfleisch betroffen. 1349 wird in Bensheim ein Rabbi Eisak mit einer Anzahl Glaubensgenossen verbrannt.
Viele von ihnen, meine Damen und Herren, haben als Kind selbst noch gelernt, dass die Juden fortwährend zu leiden hätten, weil sie den Heiland ans Kreuz geschlagen hatten. Die Juden als Menschen werden damit über alle Generationen hinweg mit dieser Schuld beladen, ohne danach zu fragen, inwieweit der Kreuzestod als Teil des göttlichen Heilsplans zu verstehen ist.
Natürlich gewährte der Adel nach Beruhigung der Lage den Juden wieder ihren Schutz. Dieses Judenschutzrecht oder Judenregal war ab 1241 mit einer Sondersteuer verbunden. Diese Form Geld gegen Schutz bleibt in unterschiedlichsten Varianten bis ins 19 Jahrhundert bestehen. Die extreme Verelendung im 14. und 15. Jahrhundert (sie erinnern sich an die Raubritter- Verarmung des Adelsstandes) führte in eine neue Vertreibungswelle, und auf diese Weise konnte man sich der lästigen Gläubiger entledigen (Wandel vom Warentausch zur Geldwirtschaft). In den deutschen Territorialstaaten bestanden zeitweise die Gewährung individueller Schutzbriefe oder Judenordnungen nebeneinander.
Juden in Hessen
Als Landgraf Philipp sich 1524 den Lehren Martin Luthers anschloss, schloss er die Juden aus seinem Herrschaftsgebiet aus. Doch bereits 1526 erging eine neue Ansiedlungsgenehmigung. Wegen der schweren Einschränkungen, die danach für Juden galten, kam es in Hessen zu einer Besonderheit: Juden siedelten kaum in größeren Städten, stattdessen aber recht breit gestreut im ländlichen Raum. Da sie als Kredit- und überregionale Geschäftsvermittler, aber auch als Schutzgeld- und Steuerzahler ein beträchtlicher Finanzfaktor waren, wurden ihnen in der hessischen Judenordnung von 1539 die Ansiedlung erlaubt und gleichzeitig Einschränkungen auferlegt. So durften sie nur 5% Zinsen nehmen, und ein Handwerk nur an zunftfreien Orten ausüben. Synagogen zu bauen, war ihnen verboten, ebenso mit Christen über Religion zu disputieren. Ihre Lehre durfte sich nur auf die 5 Bücher Mose erstrecken. Unter den Nachfolgern des Landgrafen wurden die Restriktionen gelockert (10% Zinsen). Jetzt siedelten sich vermehrt Juden auch in größeren Gemeinden an. Als Darlehensgeber und Pfandleiher, aber auch als Wein- und Edelmetallhändler lebten sie in Darmstadt und Umgebung.
Nach dem 30-Jährigen Krieg nahmen sie teil am wirtschaftlichen Aufschwung, denn sie waren sie in der Lage ein erhöhtes Schutzgeld zu zahlen.
Der Staat verdiente an dem wirtschaftlichen Erfolg mit, speziell auch am persönlichen Leibzoll, den Juden zu zahlen hatten, wenn sie die Landesgrenzen überschritten. Sie erinnern sich: Im völlig zerspitterten Deutschland gab es viele Grenzen. Dieser Leibzoll wird später beim Eingehen auf die Rimbacher Situation noch einmal thematisiert. Der Versuch Landgraf Georgs II. ( bis 1661) die Juden aus Hessen zu vertreiben, scheiterte wohl daran, dass sie als Geldbeschaffer in den kapitalbedürftigen Jahren nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges nicht ersetzbar waren und der Woll-, Häute-, Pferde-, Hopfen- und Weinhandel ohne sie fast zum Erliegen kam. Wenn dies so stimmt, sehen wir, dass wirtschaftliche und politische Macht zwei Faktoren sind, die sich gegenseitig bedingen. Nicht erst im 21. Jahrhundert.
Die fortlaufenden Missionierungsversuche gingen bis 1695 weiter zurück und erst in einem Toleranz-Patent wurde den Juden gestattet Gottesdienste abzuhalten. Dies war zwar nur in Hinterzimmern erlaubt und mit vielen Einschränkungen versehen, aber als Beginn für eine schrittweise Anerkennung des jüdischen Glauben muss er gewertet werden.
Einige städtische Juden wurden als Hoflieferanten und Monopolhändler sehr reich. Dies zog natürlich den Neid der unterlegenen Konkurrenz nach sich, doch wegen der starken Verschuldung der Landgrafen bei den Juden gingen alle Versuche deren Macht einzuschränken ins Leere. Fatalerweise entstand allerdings aus dem Zusammentreffenden von übersteigertem fürstlichem Geldbedarf und der Fähigkeit jüdischer Finanziers, diesen zu befriedigen, das abschreckende Klischee vom landaussaugenden fürstlichen Finanzjuden, wie er in der Gestalt des Jud Süß Oppenheimer symbolisch eine negative Qualität errang.
In der Verordnung über den Gebrauch der hebräischen und deutschen Sprache des Landgrafen Ludwig IX. vom 18. Oktober 1789 wird darauf verwiesen, dass der Gebrauch dieser „toden und verdorbenen Sprache“ für ihren Gottesdienst zwar uneingeschränkt zugelassen wird, aber sowohl hebräische Sprache als auch Zeitrechnung in Testamenten, Schuldscheinen, Quittungen etc. verboten sind. Man wollte damit natürlich auch Streitigkeiten wegen unklarer Datierung zu Recht aus dem Wege gehen.
Die Zeit, ab der sich Juden in Rimbach nachweisen lassen, war eine Zeit des gesellschaftlichen und geistigen Umbruchs, der politischen Unruhe, zahlloser Kriege und in deren Gefolge höchster wirtschaftlicher Not. Dies bleib so, bis nach Napoleon, der aus 314 deutschen Kleinstaaten 34 lebensfähige Staaten geschaffen, in deutschen Staaten der Gedanke erwuchs, gemeinsam den Weg zu Rechtssicherheit und geschützter staatlicher Integrität zu gehen.
Doch bis dahin geben uns Zeitzeugnisse wie das folgende einen Hinweis auf das armselige Leben von 10 –15 % der Bevölkerung um 1810 in unserer Region:
Krausnick, Beruf Räuber:
„In den Babenhauser Wäldern war nämlich eine Rotte wilder Burschen, liederlicher Weibsleute und verwahrlosten Kinder beobachtet worden, die sich mit ihren Körben und Bündeln im Grase einer Lichtung um eine Feuerstelle gelagert hatten. Sogleich versammelten sich die Bauern der Umgegend mit Knüppeln und Gewehren, bildeten ein Streifenkommando und griffen rasch und tapfer an. :“ Diese Menschen waren ohne festen Wohnsitz, keine Gemeinde nahm sie auf, weil sie keine ausreichende materielle Sicherheit nachweisen konnten. Chancen auf einen ausreichenden Gelderwerb gab es nach Kriegen, Missernten und Seuchen nicht. Die Vaganten galten vielerorts als vogelfrei und wurden wie Verbrecher behandelt, auch wenn sie noch gar nichts getan hatten. Sie erinnern sich an den Hauptmann von Köpenik von Gerhard Hauptmann.
Wanderjuden Hessen-Darmstadt:
Mittellos, ohne festen Wohnsitz, von jedem“ehrlichen Gewerbe“ ausgeschlossen und nur auf den Handel mit billigen Trödelwaren angewiesen, ziehen die Bettel- oder Schacherjuden von Ort zu Ort.
Bericht des Amtes Michelstadt (Erbach-Fürstenau): ..... in der Mitte des vorigen Jahres wurde in einem der Großherzgl. Badischen Regierungsblätter die Verordnung publiziert, dass herumziehende Betteljuden, wo sie nur immer im Land betroffen würden, als der öffentlichen Sicherheit höchst gefährliche Menschen, aufgegriffen, und über die Grenze gebracht, im Wiederbetretungsfall aber mit körperlicher Züchtigung belegt werden sollen. Jenseits der Grenze wiederholt sich natürlich das gleiche Spiel ....
Hilfe leisten sesshafte Juden in dem sie Abendessen, eine Lagerstätte für eine Nacht, Frühstück und einen Zehrpfennig geben (dürfen). Die Durchreise wird streng und genau kontrolliert.
Schutzjude:
Im 18. Jahrhundert muss der antragstellende Jude ein Vermögen von 600 – 1000 Gulden nachweisen, in gutem Leumund stehen, die Befähigung zum Handel haben und deutsch lesen und schreiben können. Von den Söhnen wiederum kann nur einer den Schutz erhalten.
Um zu dieser Geldsumme zu kommen, muss ein Wanderjude schon ganz ordentlich rauben und betrügen!
Ortsbürger:
Ab der Erklärung der Unabhängigkeit der USA (1776) beginnt weltweit ein Prozess der Emanzipation der Menschen- auch der Juden. Das Toleranzpatent des Kaisers Joseph II (1786) ist ein weiterer Schritt auf diesem Weg und dann werden 1808 den Juden mit der französischen Verfassung den Jufden die gleichen Rechte und Freiheiten gewährt. Da Napoleon Hessen zum Großherzogtum erhoben hat, wird auch diese Regelung für Hessen in Betracht gezogen So soll die Gleichberechtigung dann erreicht sein, wenn die „auf niedrigster Kultur stehenden“ Landjuden , dur ch Erziehung und Bildung für die Gleichberechtigung reif sind. Ab 1823 verpflichtet eine Verordnung alle jüdischen Kinder zum Besuch der öffentlichen Schulen.
1821^Juden können Ortsbürger werden werden, wenn sie die Staatsbürgerrechte haben. Das setzt voraus:
- deutsch lesen und schreiben können
- Handlungen und Lebensweise in gutem Rufe
- Handel im Großen mit Vieh, Waren oder frucht
- Vermögen von 4.000 Gulden (entsprachen damals 100 – 130 Ochsen)
- Eintritt in dies Zünfte
- Ackerbau und Landwirtschaft betreiben
- Ein Handwerk betreiben
Die Voraussetzungen erfüllten 1822 in Rimbach 11 Juden (Kahn, Löb; Kahn, Marchodai; Wetterhahn, Samuel; Zacharias, Isaak; Kahn, Mayer; Goldschmidt, Samuel; Oppenheimer, Süßkind; Oberndorf, Simon; Oppenheimer, Salomon,
; Oppenheimer, Süßkind; Wetterhahn, Wolf
Leibzoll: Mit welchen Schwierigkeiten die Juden im täglichen Leben umzugehen hatten, zeigt das folgende Beispiel: Beim Überschreiten jeder Landesgrenze haben die Juden, wie für das großvieh eine bestimmte Summe zu zahlen. Wollen sie Außenstände eintreiben, kann leicht der Leibzoll höher ausfallen als der Zinsertrag. Aber niemand lebt von draufzahlen, deshalb überqueren die Juden auf Schleichwegen die Grenze und lassen ihr Vieh von Christen über die Grenze treiben. Zu dieser Zeit bestehen im Weschnitztal vier Landesgrenzen: Kurmainz, Erbach, Kurpfalz und Wambold. 1807 wird der Leibzoll abgeschafft.
Im Gebiet des heutigen Kreises Bergstraße gibt es im 19. Jhh. 15 selbständige jüdische Religionsgemeinden:
Auerbach mit Schwanheim
Bensheim mit Schönberg und Zell
Heppeheim
Zwingenberg
Hirschhorn
Neckarsteinach
Biblis
Bürstadt
Lampertheim
Lorsch mit Einhausen
Groß-Rohrheim
Viernheim
Birkenau
Reichenbach mit Elms- und Wilmshausen
Rimbach
Diese Gemeinden entstanden entlang der alten Handelsstraßen der strata montana der Römer und des Neckartales. Außerdem liegen diese Gemeinden in räumlicher Nähe zu Worms, Frankfurt und Speyer, die bereits im frühen Mittelalter große jüdische Gemeinden aufwiesen.
Im Kreisgebiet leben
1828 1.033 Juden bei einer Gesamtbevölkerung von 60 522 (1.7 %)
1861 1.643 Juden „ „ „ von 72438 (2,3 %)
Folie Diese Juden verteilen sich auf die einzelnen Religionsgemeinschaften
Aussage: In Rimbach leben in beiden Erhebungsjahren mit 12,5% bzw. 14,7% prozentual mehr Juden als in den anderen Gemeinden mit jüd. Bevölkerung.. Bei einer allgemeinen Bevölkerungszunahme von 19,7 % vermehrt sich die jüdische Bevölkerung um 59,1%. Wir wissen aus heutiger Zeit, welche Ängste in der Bevölkerung entstehen, wenn eine „fremde“ Volksgruppe sich so rasant vermehrt. Im Jahre 1861 lebte jeder 7. Jude des Kreise in Rimbach. Die Sonderstellung unserer Gemeinde wird auch am folgenden Zahlenbeispiel deutlich. Im Großherzogtum gibt es 1861 nur 16 Gemeinden, die mehr als 200 jüdische Einwohner haben. Rimbach ist die siebtgrößte jüdische Landgemeinde in Hessen.
Erste ungesicherte Hinweise auf Juden in Rimbach gibt es in einer Einwohnerliste, die 1507 wegen einer Notopferumlage angefertigt wurde. Hier tauchen die Namen Engel Moyses und Nicolas Moyses auf. Nach den Erkenntnissen für die Herrschaft des Landgrafen von Hessen könnten auch in der Grafschaft Erbach vor der Reformation Juden gelebt haben.
Als gesichert kann gelten, dass nach den Dreißigjährigen Krieg als viele Gemeinden nach Krieg, Brand, Hungersnot und Pest weitgehend entvölkert waren, die Grafen von Erbach jeden Siedlungswilligen aufnahmen. So beschwert sich auch der Historiker G. Simon 1838, zur Geschichte Rimbachs über die große Anzahl der Juden, dass man bei der Aufnahme von Juden zu wenig strenge verfuhr.
Im „Fund- oder Laagebuch“ und im „Schatzungsbuch“ aus dem Jahre 1730 findet sich als Eintrag unter der Flurnummer 64, a.b.c derName „Mosche der Judt“. Nach 1730 hat der „Jud Heyum“ den Grundbesitz eines Johannes Schaller mit Grundbesitz, Haus und Hof übernommen. Heyum wird in einer anderen Urkunde 1758 erwähnt, so dass gesichert ist, Juden konnten im 18. Jahrhundert Grundbesitz in der Grafschaft Erbach erwerben. Über die Handelstätigkeit weiterer Juden gibt das Vieh-„Brotogolt Buch, geführt 1759 – 1791 Auskunft. Erwähnt werden „Jut Lößer Dafüt“, „Jut Feitel“, „Löb Dofüt“ und Sißkind“, die entweder allein an ihrem Namen Löb Dofüt oder durch den Zusatz Jut als Juden bestimmt werden können.. Geht man die alten Urkunden durch, ist die Verwirrung meist groß. Wer ist wer? Da die Juden nach orientalischer Sitte keine Familiennamen kennen (Weihnachtsgeschichte Sohn des .... aus dem Hauses David) ist eine Zuordnung nach Stämmen oder Familien schier unmöglich. Erst die Verordnung von 1808 verlangt auch von den Juden „das Führen bleibender Familiennamen und den unveränderlichen Gebrauch desselben..“. Die heutigen Historiker sind für diese Vorordnung überaus dankbar. Aus der Zusammenschau verschiedener Quellen, geht man davon aus, dass bis 1779 8 jüdische Gruppen (Familien) in Rimbach ansässig waren:
Mosche
Heyum
David
Feitel
Lößer
Mohier (Meyer)
Sißkind
Goguff
Nach der Verordnung von 1808 begegnen uns zuerst die Nachnamen Wetterhahn und Kahn. Beide gehören dem Priesterstamm an. Hier ist ein kurzer Rückblick auf den gottgegebenen Aufbau der jüdische Gesellschaft angebracht:
Priester
Leviten
Volk
Jüdische Namen, die wir seit 1808 bis zur Auslöschung der jüdischen Gemeinde ununterbrochen finden sind:
Weichsel, Oppenheimer, Breidenbach, Wetterhan, Westheimer und Kaufmann
Ich persönlich bin dankbar, dass ich einige überlebende Angehörige dieser Familien kennen lernen durfte.
Die Familien Hamburger, Meyer, Westheimer und Marx kommen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hinzu. Oberndörfer, Demuth, Kahn, Zacharias, Schwab, David Goldschmidt und Joseph leben teilweise über mehrere Generationen hier. Die Namen Bergsträßer und Sternheimer verschwinden, da keine männlichen Nachkommen vorhanden sind.
Kernaussage: In der Zeit von 1826 bis 1885 liegt der jüdische Bevölkerungsanteil konstant über 10 Prozent.. Von 1885-1930 sinkt der Anteil auf 3,5 Prozent, wobei dies zum Einen auf die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen aber auch in hohem Maße auf den Wegzug in die Industriestädte zurückzuführen ist, weil dort die Hoffnung Arbeitsplätze zu finden größer ist. Des weiteren haben viele der jüdischen Kinder eine qualifizierte oft auch akademische Ausbildung erworben und finden somit im ländlichen Raum keine Arbeitsmöglichkeit. Neben der Emanzipation der Juden auf Grund ihrer Bildung führt auch die Freizügigkeit (Lockerung von herrschaftlichen Banden- Regelung der Erlaubnis des Zu- und Wegzuges) zu Wanderungsbewegungen in einem wirtschaftlich aufstrebenden und sich einigendem Land (Zollverein- Gründung des Deutschen Reiches- Industrialisierung in Deutschland- Aufschwung)
Rimbach als zentraler Marktort ist idealer Standort für Juden
Bereits 1809 4 jahrmärkte:
- Neujahrsmarkt (1. Januar
- Kleibelsmarkt 2. Sonntag vor Maria Verkündigung
- Matthiasmarkt 3. Sonntag vor Mattheus
- Allerheiligenmarkt
Bis 1828 jährlich 4 Viemärkte (bis 1870 werden bis zu 12 Märkte abgehalten). Nach den Viehhandelsprotokollen von 1835 werden 85% des Viehhandls über jüdische Händler abgewickelt. Die Handelskontakte erstrecken sich bis Groß-Rohrheim, Lampertheim, Mannheim, Schrießheim, Schönmattenwaag, Wahlen, Reichelsheim und frankisc h-Crumbach. Für uns heute keine Entfernungen!
Diese positive wirtschaftliche Entwicklung findet ihren Niederschlag in einem wahren Boom an Zuzugswilligen. Ein Vergleich der Bevölkerungsentwicklung:
Ort |
1834 |
1846 |
% |
|
|
|
|
Fürth |
1248 |
1598 |
28% |
Rimbach |
1395 |
2208 |
59% |
Mörlenbach |
1005 |
1058 |
5% |
Birkenau |
1106 |
1342 |
15% |
Rechtliche Gleichstellung und beruflicher Wandel:
Mit der Emanzipation, der wirtschaftlichen Sicherheit, der Verbesserung des Bildungswesens und der Veränderung zur Industriegesellschaft geht eine Veränderung der angestrebten Berufe bei den Juden einher. Mehr und mehr junge Leute drängen sich in handwerkliche Berufe, studieren, werden Handellehrer, Rechtsanwälte oder Ärzte.
Hausbesitz:
Welche Häuser ursprünglich einmal in jüdischem Besitz waren ist heute sicherlich nicht mehr bedeutsam. Dass nach Napoleon ein neuer Zeitgeist in Deutschland wehte zeigt sich in den folgenden Zahlen: 1820 besitzen Juden 11 Häuser in Rimbach 1860 dann sind 39 Wohnhäuser im jüdischen Besitz. Während im genannten Zeitraum die Bevölkerung um 250 % stieg, vergrößerte sich der Hausbesitz um 400%. Welche Veränderungen sich damit für die Wohnqulität ergaben zeigt die folgende Folie.
Folie Hausbesitz:
Zeitzeugenprojekt: Einladung an Familie Marx aus Petach Tikva: MLS und DBS im September; Alf Marks und Kurt Weichsel im November DBS und Geschister-Scholl-Schule bensheim, Besuch der ehem. Synagogen in Worms, Michelstadt Hemsbach, Reichelsheim und Rimbach, Besuchsprogramm Tiefe Dankbarkeit und große Freude, viele Erinnerungen (vom Stallenkandel bei schönem Wetter Dampfschiffe auf dem Rhein, hier (Affolterbach hat mein Vater Vieh gekauft,......
Jüdischer Kalender: Schwierugkeit mit Yehuda Marx einen Termin zu finden, da die Jüdischen Feste (bei frommen Juden) eine echte Terminbremse sind.
Ausstellung Hessischer Rundfunk: Legalisierter Raub- Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 – 1945 , 29. 5. bis 28.6. Bertramstr. 8
Ausstellung „Untrennbar“ 1988, Eröffnung mit Kardinal Karl Lehmann Mainz, Erweiterung der kathol. Kirche und 50 Jahre Reichspogramnacht, Gottesdienst hier in der Kirche
Kassette vorspielen
Begegnung jüdischer und katholischer Bräuche:
Ewiges Licht – Bundeslande- Licht als Zeichen des Bundes mit Gott
Licht als Zeichen der Anwesenheit Gottes
Mesusa: Weihwasserkesselchen am Ein- Ausgang des Haus, Der Mensch stellt sich unter den Schutz Gottes bzw. dankt für den Schutz bei der Heimkehr.
Auswanderung: Nach den Nürnberger Gesetzen denken viele Juden an Auswanderung. Aber wo will einer hin, den dessen Familie hier 200 Jahre gelebt hat. Und, wer will ihn haben. Nur wer nachweisen konnte, dass ein Staatsangehöriger im Einwanderungsland für den Einwanderer bürgt, dem tat sich die Tür auf. Das galt für alle Länder des Commenwealth, für Amerika und ntürlich für das von Engländern besetzte Palästina!
Jüdischer Alltag in Rimbach
Vortrag zur Geschichte- Klaus Fürmann und Hans Altendorf informieren über Juden
in der Weschnitztalgemeinde
2. Presse
Rimbach „Juden in Rimbach“; Dieses Thema interessiert nach wie vor viele Menschen, obwohl zurzeit keine jüdischen Mitbürger in Rimbach wohnen. Das war im Jahre 1848 anders, damals lebten 238 Juden in der Weschnitztalgemeinde. Dies war nur eine der vielen Fakten,welche die Besucher des Vortragsabends der Kolpingfamilie im katholischen Pfarrzentrum am 22. April erfuhren. Als kundige Referenten hatte der Vorstand Hans Altendorf und Klaus Fürmann gewonnen. Nach der Begrüßungder vielen Zuhörer durch die Vorsitzende Christa Schaab ging Klaus Fürmann zunächst auf die Geschichte des jüdischen Volkes allgemein und auf die Probleme der Juden in Deutschland und speziell in Rimbach ein. Unterschiede zementieren etwa der Sabbat, der als jüdischer Feiertag begangen wurde, während dieser für Christen ein Arbeitstag war. Auch die Erziehung der Kinder in jüdischem Sinne in christlicher Umgebung brachte Schwierigkeiten. Dass viele Juden auf Handel eingestellt waren, führte schon in früheren Jahrhunderten zu Pogromen. Hass gegen Juden entstand auch, als sie als Finanziers der Herrscher auftraten. Viele arme Juden wurden zu Vaganten oder Betteljuden und hatten keinen besonders hohen gesellschaftlichen Status.
Seit 1808 sind sie verpflichtet, deutsche Familiennamen zu führen, und nach der Gemeindeordnung von 1821 können Juden als Ortsbürger aufgenommen werden, wenn sie vorher das Staatsbürgerrecht erworben haben. Hierfür muss jeder unter anderem Deutsch lesen und schreiben können. Mit Blick auf Rimbach stellt Klaus Fürmann fest, dass nach einer Statistik in der Gemeinde im Jahre 1861 der Anteil der Juden innerhalb der Religionsgemeinschaften 14,1 Prozent betrug. Damit hatte Rimbach den größten jüdischen Anteil im Kreis Bergstraße. Dieser sank bis 1930 auf 3,5 Prozent ab.
Der hohe Anteil beruhte offensichtlich darauf, dass die Weschnitztalgemeinde sich mehr und mehr zu einem zentralen Handelsplatz entwickelte, von dem alle profitierten. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem viele Juden als Soldaten gekämpft hatten, erfuhren die jüdischen Mitbürger noch Gleichberechtigung. Nur wenige Jahre später kam es zu Beschimpfungen und Bedrohungen.
Auf jüdischen Einzelheiten in Rimbach ging Hans Altendorf ein, in dessen Schulklasse damals von den fünfzig Schülern vier Juden und zwei Katholiken waren. Er berichtete von den jüdischen Häusern, an dessen Eingang sich die Mesusa befand, die Juden berühren, wenn sie das Haus verlassen oder wieder betreten, um sich unter den Schutz Gottes zu stellen.
Die Rimbacher Synagoge, jetzt die katholische Kirche, wurde im Jahre 1840 geweiht. Der Sabbat begann, wenn drei Sterne am Himmel zu sehen waren. In der Synagoge saßen die Männer unten und die Frauen oben auf der Empore. Der jüdische Friedhof besteht bereits seit 1846. zuvor waren die verstorbenen Juden in Birkenau beerdigt worden.
Altendorf wusste von 240 Bestattungen, von denen 180 heute noch als Gräber zu erkennen sind. Er sagte zu, mit interessierten Personen einen Besuch auf dem Friedhof zu machen. Dies letzte Bestattung hatte 1941 stattgefunden. Familiengräber gibt es auf einem jüdischen Friedhof nicht. Umgefallene Grabsteine werden nicht wieder auf aufgerichtet, auch Grabschmuck gehört nicht zur jüdischen Tradition. Lediglich Steine werden auf das Grab gelegt, ein Brauch seit dem Auszug aus Ägypten, der sich bis heute erhalten hat. Niedergelegte Grashalme werden als Zeichen des Vergänglichen angesehen.
Nach den Ausführungen stellten die Zuhörer noch viele Fragen, die von den beiden Referenten beantwortet wurden. Weitere Informationen stehen in dem von Wolfgang Gebhardt herausgegebenen
Buch „Die Geschichte der Rimbacher Juden“ und in dem von Karl-Ludwig Schmitt bearbeiteten Werk
„Rimbach im Odenwald- ein Streifzug durch die Geschichte“.
Pressenotiz im "Starkenburger Echo" am 24. April 2002
3. Gedenkgottesdienst
Anlasslich des schrecklichen Anschlages auf das World-Trade-Center in New York fand in der Martin-Luther-Kirche Rimbach eine Gedenk- und Friedensgottesdienst statt.
11.September 2001
Betroffenheit der Schule
Familie Marx weilte vom 3. – 11.9.2001 in Rimbach
Am 11.9. sollten sie ab München zurückfliegen. Es flogen keine Maschinen mehr. Grund: Attentat von New York
Kurzer Text zur Situation Zeitzeugenprojekt an der Schule (Deine Klasse war beteiligt.)
Neue Seite in Beepworld dbsfue Kennwort: beepuser
Mit deinem Namen!
Eventuell mehr Speicherplatz über Telefon Konrektorbüro!
Ansprache Klaus Fürmann
Jehuda Marx aus Israel weilte für eine Woche als überlebender Zeitzeuge des Holocaust hier in Rimbach. Er hat trotz des schmerzlichen Verlustes vieler Verwandter im Nationalsozialismus nach vielen Jahren die Kraft gefunden nach Rimbach zu kommen. Wir alle haben diesen Schritt als Zeichen der Versöhnung verstanden.
Am Dienstag Abend sollte er nach Israel zurückfliegen. Er ist immer noch in Deutschland, weil er noch keine Möglichkeit hatte, in seine Heimat auszureisen.
Wir sehen, wie der schreckliche Bombenterror auf New York seine Auswirkungen bis zu uns hat.
Wir spüren, wir sind Betroffene. Fassungslos sind wir über den unmenschlichen Angriff auf wehrlose Menschen. In unserer Hilflosigkeit merken wir, dass wir enger zusammenrücken müssen. Wir ahnen auch, dass die klugen Konzepte der Menschen hier nicht greifen.
Gerade nach dem schrecklichen Angriff vom Dienstag braucht es Menschen mit einem guten Herzen, die nicht nach Rache schreien, sondern zur Versöhnung aufrufen. Gerade jetzt im Angesicht es unermesslichen Leides:
Setzen wir unsere Hoffnung und unser Vertrauen auf Gott.
Zum dauernden Frieden gibt es keinen anderen Weg als die Versöhnung.
Ich bete, dass Gott den Mächtigen dieser Welt die Kraft zu besonnenen und friedensstiftenden Antworten geben möge.
Mai 2002: Wir sehen heute leider in Palästina, dass Gott den Menschen die Kraft zu besonnenem Handeln noch nicht gegeben hat.